Rauch: „Am Anfang dachte ich mir wirklich, leck mich am A... ! “
Rauch: „Am Anfang dachte ich mir wirklich, leck mich am A... ! “
Spieler vom FC Parsdorf und TSV Grafing schildern ihre Eindrücke vom Training
Landkreis – „Wie ein kleines Kind an Weihnachten“, hat sich Fabian Keller nach wochenlanger Zwangspause bei seinen ersten Ballkontakten auf dem Grafinger Trainingsplatz gefreut. Mehr als ein bisschen Danteln im heimischen Garten war in der Zwischenzeit auch beim 27-jährigen Kapitän des TSV Grafing nicht drin. „Das Ballgefühl hat aber nicht groß gelitten“, versichert er.
Ganz anders hört sich das bei Peter Rauch an: „Am Anfang dachte ich mir wirklich, leck mich am A . . . ! Mein Ballgefühl habe ich ziemlich verloren. Das war schlimmer als vor einer Sommer- oder Wintervorbereitung.“ Eine etwas eingerostete Ball-Fuß-Koordination war bei den ersten „Corona-Trainings“ für den 24-jährigen Spielführer des FC Parsdorf jedoch nur eine Randnotiz. „Es war einfach schön, dass man sich wiedersehen und in großer Runde auf dem Platz treffen kann. Bei uns kommen viele Spieler aus den umliegenden Ortschaften wie Baldham oder Pliening. Da ist das gut für den Zusammenhalt.“
Abläufe und Verhaltensweisen wurden im Vorfeld erklärt
Beide Teams wurden zum Trainingsstart ausführlich von ihrem jeweiligen „Corona-Beauftragten“ über Abläufe und Verhaltensweisen rund um das Sportgelände instruiert. „Wir wissen, dass jeder Amateurverein unter Beobachtung steht und die Eigenverantwortung dabei sehr wichtig ist“, so Keller. „Als Spieler passt man schon ziemlich darauf auf, was man tut“, elaboriert Peter Rauch. „Erstens, weil klar ist, dass man ausgeschlossen werden kann, wenn man sich nicht an die Regeln hält. Und zweitens, weil man nach außen hin ein gutes Bild abgeben will.“
Rauch war und ist als 3. Vorsitzender des FCP in die Ausarbeitung und Kontrolle des entsprechenden Hygiene-Konzepts persönlich involviert, weiß also um die Vorteile der rundum eingezäunten Spielfläche an der Purfinger Straße. Wie im Städtischen Sportstadion in Grafing können die Ein- und Ausgänge vergleichsweise einfach separiert und kontrolliert werden.
Beim FC Parsdorf sind bereits die ersten Jugendmannschaften am Ball
„Ob ein Verein das Training unter diesen Auflagen wieder aufnehmen kann, kommt ganz auf die Ausstattung der Sportstätte an. Bei uns ist das leichter machbar“, erklärt Fabian Keller. Seine Mitspieler und er profitieren von einem Belegungsplan, den der Hauptverein zugunsten aller elf Abteilungen frühzeitig entwickelt hat. Daher durften auch die B- und C-Jugendfußballer der Bärenstädter bereits mit 20 beziehungsweise 15 Teilnehmern starten.
Gerade im Herrenbereich hätte Grafings Technischer Leiter Jürgen Daser die Stopptaste aber eigentlich noch länger gedrückt gehalten: „Es ist schon ein enormer Aufwand nötig, um dann quasi über drei Monate Vorbereitung zu machen. Aber wenn die Spieler ein-, zweimal die Woche den Ball hin und her schieben und sich treffen wollen, dann machen wir das als Verein halt möglich.“
Beim abstiegsbedrohten Kreisligisten wollten sich dieses vermeintliche „Hin- und Hergeschiebe“ 25 Kicker im je einstündigen Zweischichtbetrieb nicht entgehen lassen. „Ob das alles so richtig ist, was man tut, fragt man sich ja momentan dauern“, sagt Fabian Keller. „Aber direkt Angst vor einer Ansteckung hatte ich weder vorher noch nachher, auch wenn es in meinen Augen wenig Sinn macht, übermäßiges Risiko einzugehen.“
Höherer Aufwand für Trainer
Dafür nimmt er die Abstriche beim Trainingsinhalt gerne in Kauf. So sind in Grafing wie in Parsdorf bis auf Weiteres keine Torhüter im Einsatz, keine Ballberührungen mit Händen, Brust und Kopf und selbstverständlich kein Körperkontakt erlaubt. „Sogar das verbotene Handspiel ist tatsächlich umsetzbar“, berichtet Peter Rauch. „Das Material, die 40 Bälle und Hütchen werden vor dem Training desinfiziert und dann direkt an die jeweiligen Stationen gelegt. Natürlich ist das für unseren Trainer Carsten Altstadt ein viel höherer Aufwand. Er kommt wohl schon 45 Minuten früher.“
In der Praxis stellt sich die Parsdorfer Übungseinheit als Stationstraining dar, wobei alle sechs Gruppen á vier Spieler alle zwölf Minuten im Uhrzeigersinn die Stationen wechseln. So schön die gemeinsame Ballgewöhnung auch gerade ist– viel mehr ist das limitierte Training für beide Spielführer nicht – ein Dauerzustand dürfe es nicht sein. „Aufs leere Tor in kleinen Gruppen zu schießen, tut in der Seele weh“, sagt Rauch, der mit elf Saisontreffern die interne Torjägerliste anführt.
Hoffnung auf Kontaktsport und Wettkämpfe
Er hoffe sehr, dass die angekündigten Lockerungen in Nordrhein-Westfalen „klappen“, die Kontaktsport und Wettkämpfe ab dem 30. Mai wieder ermöglichen. „Durch die festgelegten Gruppen wäre unter der Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten ja auch bei uns Körperkontakt möglich. Flache Pässe, Flugbälle in den Fuß, Abschlüsse auf leere Tore, das geht in den nächsten zwei Wochen noch gut. Aber langfristig wirst du damit nicht besser und 16 Leute werden dann auch nicht mehr kommen“, schätzt Rauch.
In Grafing habe Trainer Andi Schmidt laut seinem Kapitän „eine gute Vorauswahl“ an Übungen getroffen. Nur wie lange die Nachfrage unter diesen Bedingungen groß bleibt, vermag Keller nicht abzuschätzen. Ein richtiges „Willkommen zurück!“ wird es für die Kicker erst sein, wenn ausnahmslos alle Vereine und Spieler ohne Auflagen den Ball wieder treten, köpfen und werfen dürfen.
VON JULIAN BETZL